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Robert Habeck zu Besuch in der Ukraine: Seine heikle Mission


Robert Habeck
Es wird unangenehm


18.04.2024Lesedauer: 5 Min.
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"Ukraine braucht jede Unterstützung": Vizekanzler Habeck besucht die Ukraine. (Quelle: dpa)

Robert Habeck ist in der Ukraine. Es ist ein heikler Besuch des Vizekanzlers. Denn er muss wohl einige Hoffnungen enttäuschen.

"Ich zeige Ihnen mal was", sagt Robert Habeck und läuft los. Der Vizekanzler ist gerade mit dem Sonderzug in Kiew angekommen. Er ignoriert seine Wagenkolonne und geht ins Bahnhofsgebäude, vorbei am frühmorgendlichen Reisetrubel und an den Rand einer Treppe.

Dort ist eine große Abfahrtanzeige angebracht, allerdings steht sie auf dem Boden und hängt nicht wie üblich in der Luft. Auf der Tafel stehen Namen wie Simferopol, Luhansk oder Sevastopol. "Das sind die Orte, die nicht mehr erreichbar sind", sagt Habeck. Die Bahn fährt noch, aber sie kann gerade nicht überall hinfahren. Es ist ein bitteres Symbol für das, was hier ohnehin niemand vergessen kann: Die Ukraine ist im Krieg.

Der Vizekanzler ist hergekommen, um der Ukraine die deutsche Solidarität zu versichern. Es geht wie so oft in der Politik auch um Hoffnung. Hoffnung für ein Land, das von Russland mit Luftangriffen terrorisiert wird. Und für das es dramatisch eng wird an den Frontlinien.

Habeck hat schon häufiger gezeigt, dass er angesichts dieser Lage die richtigen Worte findet. Einige sagen: Er findet die Worte, die eigentlich der Kanzler finden müsste. Die Frage, mit der er auch in der Ukraine konfrontiert werden dürfte, lautet: Findet Habeck noch mehr als nur Worte? Mehr Waffen zum Beispiel – und Geld?

Nicht mit leeren Händen

Die Reise sei "ein Zeichen, dass wir wissen, dass wir die Ukraine dauerhaft und beharrlich unterstützten müssen – und auch werden", sagte Habeck, als er kurz zuvor aus dem Zug gestiegen ist. Der Besuch falle "in eine Zeit, in der die Ukraine in ihrem Kampf um Freiheit noch einmal jede Unterstützung braucht".

Die Ukraine stehe "militärisch enorm unter Druck" und kämpfe "für die Werte, die Europa eint und ausmacht", sagt Habeck. "Deswegen ist der erfolgreiche Kampf der Ukraine auch im höchsten Eigeninteresse Deutschlands." Es ist wohl eine der wichtigsten Botschaften seiner Reise an die deutsche Öffentlichkeit.

Und es ist nicht so, als sei Robert Habeck mit leeren Händen hergekommen. Wie schon vor etwa einem Jahr bei seinem ersten Besuch als Wirtschaftsminister hat er eine kleine Gruppe von Wirtschaftsvertretern mitgebracht, vor allem aus dem Energiesektor und der Verteidigungsindustrie. Sie sollen hier Geschäfte machen, investieren. Und damit auch den Menschen Hoffnung geben. Die Bundesregierung fördert deutsches Engagement mit Garantien für Investitionen und Exporte.

Es gehe zum einen darum, "vor Ort zu schauen, welche Unterstützung die Energieinfrastruktur braucht", sagt Habeck. Zum anderen sei "eine Aufgabe, die nicht so schnell verschwinden wird", die Rüstungsproduktion in Europa und in der Ukraine hochzufahren.

Am Wochenende hat die Bundesregierung außerdem verkündet, dass Deutschland der Ukraine ein drittes Patriot-Flugabwehrsystem zur Verfügung stellen wird. Es mangelt der Ukraine an vielem, aber Luftverteidigung steht gerade sehr weit oben auf der Liste.

Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich dafür natürlich bei Deutschland bedankt. Nur um wenige Tage später darauf hinzuweisen: Das, was die internationale Gemeinschaft für Israel im Konflikt mit dem Iran tut, das würde auch der Ukraine gegen Russland helfen. Mehr internationale Unterstützung also. Oder wie Selenskyj es formulierte: "Die Intensität der russischen Angriffe erfordert eine größere Einigkeit."

Er kann nicht, wie er gerne würde

Für Habeck wird es bei seinen politischen Gesprächen in Kiew auch um Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der Energieversorgung gehen. Die hat Russland zuletzt verstärkt beschossen. Habeck wird dafür mit Vizepremierministerin und Wirtschaftsministerin Julija Swyrydenko sowie dem Energieminister Herman Haluschtschenko zusammentreffen. Habeck hat für dieses Jahr noch 25 Millionen Euro für den Energiesektor im Gepäck, wie es aus Ministeriumskreisen heißt. Mit 420 Millionen Euro hat Deutschland den Sektor bisher schon unterstützt.

Spätestens wenn Habeck mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj spricht, dürfte es aber um die Unterstützung mit Munition und Waffen gehen. Es könnte einigermaßen unangenehm werden für Habeck. Denn er kann wohl nicht so, wie er gerne würde.

Da ist zum Beispiel die ewige Taurus-Frage. Die Marschflugkörper sind mächtig – und begehrt bei den Ukrainern. Habeck und seine Grünen würden sie gerne liefern, die FDP auch. Bundeskanzler Olaf Scholz und seine SPD hingegen sperren sich bislang. Es sieht so aus, als müsste Habeck diese Hoffnungen des ukrainischen Präsidenten Selenskyj mal wieder enttäuschen.

Es braucht mehr Geld

Doch die Frage der Unterstützung reicht weiter und ist komplizierter als die Taurus-Frage. Auch für Habeck und seine Bundesregierung zu Hause. Um zum Beispiel mehr Munition an die Ukraine liefern zu können, müsste die Rüstungsindustrie zunächst einmal mehr davon produzieren. Trotz 100-Milliarden-Sondervermögen und guten Absichten ist bisher nicht so viel passiert, wie es alle Beteiligten gerne hätten.

Habeck hatte die Rüstungsindustrie und Kabinettskollegen deshalb Anfang April in sein Ministerium geladen. Neben schnelleren Genehmigungen brauchen die Unternehmen konkrete und nachhaltige Aufträge, um die Produktion hochfahren zu können. Und das heißt letztlich: mehr staatliches Geld, auch dann noch, wenn das Sondervermögen aufgebraucht ist.

Mehr Geld, um selbst "sicherheitsfähig" zu werden, wie Habeck es nennt. Aber wenn es nach ihm geht, auch mehr Geld für die Ukraine. Schaut man auf die absoluten Beträge, ist Deutschland nach den USA zwar der zweitgrößte Unterstützer. Im Verhältnis zur Wirtschaftskraft liegt Deutschland aber auf Platz zehn.

Nun schwindet in Teilen Europas die Unterstützung auch noch und in den USA droht ein Präsident Donald Trump. Ende März sagte Habeck der "FAZ" deshalb: "Deutschland muss weitere Möglichkeiten mobilisieren."

Woher nehmen?

Nur woher soll das Geld kommen? Es ist eine Frage, die schneller wichtig wird, als es Habeck lieb sein dürfte. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts fehlen für den Etat 2025 wohl deutlich mehr als 25 Milliarden Euro. Bei den Grünen gibt es eigentlich niemanden, der es für möglich hält, eine solche Summe einzusparen – und gleichzeitig mehr für Rüstung und die Ukraine aufzubringen.

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Die Ampelregierung will den Haushalt noch vor der Sommerpause im Kabinett beschließen. Für den Fall der Fälle hatte sie sich nach dem Verfassungsgerichtsurteil ein Hintertürchen gebaut. Sollte es die Situation in der Ukraine erfordern, könnte erneut die Notlage ausgerufen werden und damit fürs nächste Jahr die Schuldenbremse ausgesetzt werden. Einen guten Teil der Finanzprobleme könnte das lösen.

Nur ab wann ist die Situation der Ukraine so schlecht, dass eine Notlage gerechtfertigt wäre? Da gehen die Meinungen in der Koalition weit auseinander. Die FDP will sie unbedingt vermeiden.

Möglich also, dass Robert Habeck diesmal nicht nur der Ukraine etwas mitbringt, um Hoffnung zu machen. Sondern dass er auch etwas mit nach Hause nimmt: Gute Argumente nämlich, dass es deutlich mehr Geld braucht.

Verwendete Quellen
  • Reise mit Robert Habeck in die Ukraine
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