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Perikles Simon: "Digel ist ein echter Problemfall"


Simon: "Signalwirkung unseres Tests dürfte groß sein"

t-online, t-online.de

Aktualisiert am 10.03.2011Lesedauer: 6 Min.
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Das Interview führten Johann Schicklinski und Arne Henkes

Das Zeitalter der genetischen Optimierung der sportlichen Leistungsfähigkeit ist wohl schon erreicht. Der Versuch, eine Leistungssteigerung durch Manipulation des Erbguts zu erreichen, ist keine Zukunftsmusik mehr. Gezielte Veränderungen in den Genen werden nicht nur genutzt, um Krankheiten zu therapieren, sondern längst auch, um die körperliche Leistungsfähigkeit zu optimieren. Doch auch die Gegenseite schläft nicht: Eine Forschungsgruppe aus Tübingen und Mainz unter der Leitung der Gendoping-Experten Prof. Dr. Dr. Perikles Simon und des Gentherapeuten Prof. Dr. Michael Bitzer hat einen Nachweis entwickelt, gezielte Eingriffe in das menschliche Erbgut zum Zweck der sportlichen Leistungssteigerung nachzuweisen. (Lesen Sie auch: So funktioniert Gendoping)

Im Gespräch mit t-online.de spricht Perikles Simon über den Nachweis für Gendoping, die mangelnde Unterstützung durch die deutsche Sportindustrie und die Attacken von Helmut Digel.

t-online.de: Herr Simon, Sie haben zusammen mit einer Forschungsgruppe aus Mainz und Tübingen einen Test entwickelt, mit dem Gendoping nachweisbar ist. Wie funktioniert dieses Verfahren?

Perikles Simon: Das funktioniert im Grunde ähnlich wie bei Kriminologen, die einen Täternachweis herbeiführen wollen, indem sie Spuren suchen. Das machen wir auch, und zwar in der Erbsubstanz DNA. Die Erbsubstanz, die beim Gendoping von außen dem Körper zugeführt werden kann, unterscheidet sich minimal von der natürlichen Erbsubstanz. Dies nutzen wir dann zielgerichtet, um eine Manipulation nachzuweisen.

Das setzt voraus, dass Sie wissen, wo Sie nach dieser Manipulation suchen müssen, oder?

Richtig, wir müssen vorab wissen, mit welchen Genen die Sportler sich dopen könnten und müssen eine Vorstellung davon haben, wie das ganze technisch abläuft.

Welche Manipulationsmöglichkeiten sind denn nachweisbar?

Wir sind uns hinsichtlich der infrage kommenden Möglichkeiten recht sicher. Um eine Leistungssteigerung herbeizuführen ist es möglich, sich mit Hormonen auf genetischem Weg zu dopen, zum Beispiel Wachstumshormonen, EPO oder anderen Wachstumsfaktoren. Das sind sicherlich die klassischen Möglichkeiten. Aber es gibt auch Möglichkeiten, die erst durch die Anwendung in der Gentherapie aufgekommen sind, zum Beispiel Gefäßwachstumsfaktoren.

Wie muss man sich denn so einen Test in der Praxis vorstellen?

Dies geschieht anhand von Blutproben der Athleten, wobei völlig egal ist, wann diese Blutproben entnommen wurden. Es ist ja ein Langzeittestverfahren, ein oder zwei Tests im Jahr reichen völlig aus.

Was fehlt denn noch bis zu dem Schritt, an dem der Test routinemäßig ins Anti-Doping-Programm übernommen werden kann?

Um die Praxisreife zu erlangen müssen andere Labore auf aller Welt in der Lage sein, den Test sowohl nachzuvollziehen als auch Proben analysieren zu können. Das kann noch ein bisschen dauern, ich bin aber zuversichtlich für künftige sportliche Großereignisse.

Können Sie den zeitlichen Rahmen quantifizieren, zum Beispiel im Hinblick auf Olympia 2012 in London?

Weltweit forschen nur drei Labore an diesem oder ähnlichen Nachweisverfahren. Ich denke aber, dass der Schritt zur Praxisreife zu dritt schnell gegangen werden kann, etwa in wenigen Monaten bis hin zu ein oder zwei Jahren. Der zeitliche Rahmen hängt natürlich auch davon ab, wie die finanzielle Unterstützung ist.

Unabhängig von der Praxisreife des Tests: Hat die Möglichkeit, zukünftig Gendoping nachweisen zu können, nicht bereits jetzt eine abschreckende Wirkung auf Sportler?

Auf jeden Fall, die Athleten wissen jetzt, dass eine genetische Manipulation bei adäquater Lagerung der Blutproben auf Jahre hinaus nachweisbar ist. Die Signalwirkung unseres Tests dürfte daher groß sein.

Wie teuer ist Gendoping und denken Sie, dass es im Spitzensport bereits angewandt wurde?

Es ist einer sehr billige Dopingmethode. Einen nachgewiesenen Fall gab es noch nicht, allerdings gab es in jüngster Zeit Hinweise, wonach im Spitzensport zumindest nachgefragt worden ist, ob Gendoping verfügbar sei.

Sie sprechen von Hinweisen. Auf welche Sportarten denn?

Zum Beispiel hat der frühere Leichtathletik-Trainer Thomas Springstein versucht, an die Mittel zum Gendoping heranzukommen. Aber auch mein Kollege Lee Sweeney in den USA, der aus klinischen Zwecken zum Thema Gendoping forscht, hat von Leichtathleten über Schwimmer bis hin zu den Footballspielern Anfragen bekommen. Hunderte!

Fühlten Sie sich denn ausreichend unterstützt bei Ihren Forschungen?

Man muss zwei Seiten sehen. Von Seiten der Welt-Anti-Doping-Agentur war die Unterstützung auf jeden Fall ausreichend. Allerdings haben wir aus der Sport-Industrie trotz mehrfacher Anfragen so gut wie kein positives Feedback bekommen. Sie werben mit den Athleten und propagieren einen sauberen Sport, aber engagieren will sich hier niemand.

Sie klingen sehr frustriert!

Ab und zu bin ich natürlich absolut frustriert. Ein effektiver Dopingkampf ist einfach auf vielen Ebenen nicht gewünscht, das ist die bittere Realität. Ich finde das sehr bedenklich, denn für die Sportindustrie geht es um für sie marginale Beträge, mit denen im Kampf gegen das Doping schon viel zu erreichen wäre. Es geht hier um Summen, die für Firmen wie Adidas oder die Deutsche Bank wirklich lächerlich sind. Diese Firmen machen ja trotzdem Werbung mit dem sauberen Sport. Mir fehlt hier die Bereitschaft, den Worten auch Taten folgen zu lassen.

Können Sie trotz solcher Widerstände und mit dem Wissen, dass es sauberen Spitzensport offensichtlich nicht gibt, überhaupt noch sportliche Großereignisse wie die Olympischen Spiele genießen?

Dazu habe ich ein ambivalentes Verhältnis, denn ich sehe mich den Athleten gegenüber in der Verantwortung. Ich sehe bei vermeintlich dopenden Sportlern das zukünftige Leiden und muss oft an die Spätfolgen denken. Auch junge Athleten sind nicht ausreichend davor geschützt gegen dopende Sportler konkurrieren zu müssen oder dann irgendwann einmal selber zu dopen. Das ist kein schönes Gefühl.

Dass setzt voraus, dass immer Sportler an den Start gehen, die gedopt sind und bei denen die grundsätzliche Bereitschaft zum Doping vorhanden ist. Ist es wirklich so schlimm bestellt?

Dafür gibt es immer wieder Belege. So haben wir eine Umfrage, bei der jugendliche Leistungssportler aus 43 Sportarten im durchschnittlichen Alter von 16 Jahren durchgeführt und diese befragt, ob bei Ihnen eine Bereitschaft zum dopen vorhanden wäre. Ihnen wurde absolute Anonymität eingeräumt, trotzdem gaben 6,8% an, dass sie bereits unerlaubte Mittel zum Zweck der Leistungssteigerung genommen haben. Die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen. Das sind bereits in diesem Alter erschreckende Zahlen, denn Sportler geben damit ja zu, dass sie bereit sind, ihre Gesundheit für ihren Sport aufs Spiel zu setzen.

Wie sind denn die Reaktionen auf diese Studie ausgefallen?

Erschreckend. Obwohl wir Sie in anerkannten wissenschaftlichen Fachzeitschriften publiziert hatten, kam aus dem organisierten Sport keinerlei Feedback. Niemand fragte, ob man da was tun könnte. Es wurde einfach totgeschwiegen.

Noch ein Wort zu Ihnen: Sie gelten als Vorreiter im Anti-Doping-Kampf. Nun warf Ihnen der Sportfunktionär und frühere DLV-Präsident und IAAF-Vizepräsident Helmut Digel in einem Gastbeitrag in der Stuttgarter Zeitung Profilierungssucht vor. Wie sehr irritiert Sie eine solche Attacke?

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Herr Digel ist für mich ein echter Problemfall. Die Profilierungssucht, die er mir vorwirft, kann ich ihm ebenfalls vorwerfen. Er äußert sich sehr kritisch zum Anti-Doping-Kampf, hat aber noch nie konstruktives mit in die Diskussion eingebracht. Bei ihm ist nicht bekannt, was er konkret geändert haben möchte, um diesen Kampf effektiver zu gestalten. Ich denke, Herr Digel muss sich hinterfragen, was er denn in seinen verschiedenen Funktionen im Spitzensport geleistet und erreicht hat.

Was werfen Sie ihm konkret vor?

Er hat in seiner Funktionärstätigkeit im Anti-Doping-Kampf einfach zu viel mitgetragen. Unter ihm wurde beispielsweise Thomas Springstein mit seiner offensichtlichen Doping-Vergangenheit 1999 wieder rehabilitiert, was damit endete, dass er 2002 zum Trainer des Jahres gewählt wurde. Herr Springstein konnte erst 2004 dank einer massiven Anstrengung seiner Athletin Ann-Katrin Elbe zur Strecke gebracht werden, die er damals als Minderjährige dopen wollte. Nur dank ihrer Courage konnte Springstein überführt werden. Leute mit solch einer kriminellen Energie konnten unter Digel leider reüssieren, während es ihm an konstruktiven Beiträgen einfach mangelt und gemangelt hat.

Abschließend noch die Frage: Was treibt Sie trotz aller Schwierigkeiten und Missstände im Anti-Doping-Kampf an?

Mich interessiert vor allem die Gruppe der Athleten, weil sie die Zielgruppe sind, die geschädigt werden, die sich nicht wehren können und die unbedingt geschützt werden muss. Meine Motivation geht von dieser Gruppe aus und sie ist unverändert hoch. Wenn Sie mich fragen, ob ich motiviert bin, ein neues Testverfahren oder ähnliches zu entwickeln, so muss ich antworten: Nur wenn ausreichend Unterstützung vorhanden ist.

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