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HomeSportFußballKolumne - Stefan Effenberg

DFB | Stefan Effenberg: Goretzka und Hummels Härtefälle, Sané unverzichtbar


Trotz Trendwende der Nationalelf
Diese Personalie könnte für Nagelsmann heikel werden

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

28.03.2024Lesedauer: 6 Min.
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Der Vertrag von Bundestrainer Julian Nagelsmann endet, Stand jetzt, nach der EM. (Quelle: IMAGO/osnapix / Hirnschal/imago)

Bundestrainer Julian Nagelsmann ist mit der Nationalelf die Trendwende gelungen. Dabei gibt es einige Gewinner, aber auch vor allem zwei große Verlierer.

Endlich hat es mal wieder richtig Spaß gemacht, der deutschen Nationalmannschaft zuzuschauen. Sie hat gegen Frankreich (2:0) und die Niederlande (2:1) zwei wirklich sehr gute Spiele gemacht. Das hat mich beeindruckt. Beide Gegner waren keine Laufkundschaft, sondern echte Hochkaräter. Bei der EM wird Frankreich mit Sicherheit ganz anders auftreten. Für die Nationalelf war der Sieg trotzdem enorm wichtig. Sie stand unter Druck und musste performen. Und das hat sie sehr gut gemacht.

Die Entscheidung von Bundestrainer Julian Nagelsmann, sich auf diesen Kader und ein solches Gerüst festzulegen, war mutig, aber genau richtig. Damit hat er ein Zeichen gesetzt. Die Mannschaft hat Spielfreude und Zusammenhalt gezeigt – alles, was wichtig ist, um die Zuschauer und Fans zurückzugewinnen. Das haben sie in diesen zwei Spielen geschafft. Dementsprechend dürfen wir uns jetzt alle auf die Heim-EM freuen.

Die Positionen in der Mannschaft sind jetzt relativ klar verteilt. Es war gut und richtig, dass Nagelsmann in den beiden Spielen nicht durchgewechselt, sondern zweimal dieselbe Startelf aufgeboten hat.

Die Personalie Sané könnte heikel werden

Ich bin mir ziemlich sicher: Wenn jetzt nichts Außergewöhnliches mehr passiert, wird das auch die Mannschaft sein, mit der wir in die Heim-EM starten werden. Manuel Neuer wird da wohl als Einziger noch reinrutschen. Ansonsten musst du die Mannschaft genau so aufstellen.

Antonio Rüdiger und Jonathan Tah haben gezeigt, dass sie in der Innenverteidigung zusammenpassen und harmonieren. Im Mittelfeld ist Toni Kroos gesetzt und wohl auch Robert Andrich als sein Partner. Das gilt in der Offensive auch für Kapitän İlkay Gündoğan sowie das Kreativduo Florian Wirtz und Jamal Musiala.

Die Personalie Leroy Sané könnte da ein wenig heikel werden. Aber es liegt insgesamt jetzt an den Spielern, auf dem Weg zur EM weiter zu performen. Diesen Druck spüren jetzt alle Spieler endlich wieder. Niemand kann sich sicher sein, sich zurücklehnen. Nein: Jeder muss um seinen Platz kämpfen.

Auf Sané kann Nagelsmann nicht verzichten

Ich bin mir aber sicher, dass Sané am Ende im Kader dabei sein wird. Das ist für mich überhaupt keine Frage. Er hat seine Klasse oft genug bewiesen und mittlerweile auch viel mehr Konstanz in seinen Leistungen, ist ein ganz wichtiger Spieler für Bayern München. Mit seiner Roten Karte hat er sich in der Nationalelf jetzt aber selbst geschadet.

Denn die Jungs, die gespielt haben, haben abgeliefert. Trotzdem muss ich da Felix Kroos widersprechen und sehe Sané auch als wichtigen Spieler möglicherweise von der Bank. Er ist nicht mehr der Sané von vor fünf, sechs Jahren, sondern mittlerweile auch als Teamplayer gereift.

Er muss jetzt bei Bayern weiter seine Leistung abrufen, wenn es, vor allem in der Champions League, um alles geht. Für den Bundestrainer ist es doch schön, wenn er noch solche Alternativen in der Hinterhand hat. Auf Sané kann er normalerweise nicht verzichten.

Goretzka und Hummels als Härtefälle

Etwas anders sieht die Sache zum Beispiel bei Mats Hummels oder Leon Goretzka aus. Da hat sich die Ausgangslage auch durch die beiden Länderspiele, die viele Antworten gegeben haben, verändert. So wie es aussieht, geht die klare Tendenz jetzt nämlich dahin, dass sie dann auch nicht zum EM-Kader gehören werden.

In der Abwehr sind wir mit Rüdiger und Tah gut aufgestellt und haben zum Beispiel auch noch Waldemar Anton oder Robin Koch. Daher wird sich die Frage der Nationalelf bei Hummels wohl nicht mehr stellen.

Und auch bei Goretzka muss man ehrlich sein: Er hat eigentlich nur noch die Möglichkeit, dabei zu sein, wenn etwas passiert, sich jemand verletzt. Es wird verdammt schwer für ihn. Seine Chancen sind vielleicht etwas größer als die von Hummels, aber auch nicht riesengroß.

Das Duo Kroos und Andrich ist jetzt erst mal gesetzt. Dann gibt es noch unter anderem Pascal Groß oder notfalls auch noch Joshua Kimmich als Alternativen. Sollte es am Ende tatsächlich so sein, dann sind das eben die Härtefälle, die es im Fußball immer mal gibt.

Kroos ist der Schlüssel der Trendwende der Nationalelf

Die Rückkehr von Kroos ist für mich einer der Schlüssel der gelungenen Trendwende der Nationalelf. Nagelsmann hat damit eine ganz wichtige Entscheidung getroffen. Und kann sich glücklich schätzen, dass Kroos auch dazu bereit war. Man hat sofort seinen Wert gesehen, den er in Sache Balance, Rhythmus und Zusammenhalt für das Team hat.

Einen solchen dominanten Spieler suchst du immer. Vor allem, wenn es nicht läuft, braucht die Mannschaft einen Anker, an dem man sich festhalten kann, der aufrichtet, der Ruhe reinbringt, die Übersicht hat. Jemanden, der weiß, was zu tun ist. All das trifft auf Toni Kroos und die Art und Weise, wie er spielt, zu. Er kam zurück, war direkt der Anführer und der Chef im Mittelfeld.

Allein die Anzahl seiner Ballkontakte, gegen Frankreich waren es 145, spricht ja schon Bände. Er verkörpert genau das, was der Nationalelf in den vergangenen Monaten gefehlt hat. Da ist nie einer gewesen, der das Heft des Handelns so in Hand nimmt, für andere da ist, Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt. Das hat Kroos dieser Mannschaft zurückgegeben.

So macht Kroos seine Mitspieler besser

Und dann funktioniert auch alles drumherum. Kroos gibt der Abwehr mit seiner Präsenz auf dem Platz eine gewisse Sicherheit, den Kreativspielern ebenso. Das ist eine ganz entscheidende, zentrale Schlüsselposition, die Kroos jetzt perfekt ausfüllt.

Dass er der Mannschaft sportlich weiterhelfen würde, stand überhaupt nie zur Debatte. Die Frage war, ob er sich das in seinem Alter noch mal antut. In den beiden Spielen hat er aber gezeigt, dass es ihm nach wie vor unglaubliche Freude bereitet, das Nationaltrikot zu tragen. Auch das hat zuletzt ein Stück weit gefehlt. Wenn das ein entscheidender Spieler derart ausstrahlt, ist das Gold wert.

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Bei Maximilian Mittelstädt hat man diese Unbekümmertheit gespürt. Er spielt mit dem VfB Stuttgart eine herausragende Saison. Er spielt relativ frei, hat sich mit all diesen Dingen, die die Nationalelf mit sich bringt, zuvor gar nicht beschäftigt. Großes Kompliment an ihn, wie er das gemacht hat. Man darf nicht vergessen, wo er herkommt, mit seiner Vergangenheit bei Hertha BSC. Er hat immer weiter an sich gearbeitet und sich seine Chance in der Nationalelf verdient.

Jetzt hat er gezeigt, dass er auf diesem Niveau mithalten kann. Aber auch er hat, zum Beispiel mit Benjamin Henrichs oder David Raum, Konkurrenz hinter sich. Niemand ist gesetzt und kann sich zurücklehnen. Dass bei den Jungs dieser Konkurrenzdruck da ist, ist etwas Gutes für Nagelsmann. Besser kann sich das der Bundestrainer eigentlich gar nicht wünschen.

Diese Achse macht wieder Hoffnung

Eine funktionierende Achse war das, was uns zuletzt abgegangen ist. Mit Neuer, Tah und Rüdiger in der Innenverteidigung, Kroos und Andrich im Mittelfeld sowie Wirtz, Musiala und Gündoğan in der Offensive haben wir die jetzt wieder. Es ist eine stabile Achse mit sehr hoher Qualität.

Wir können auch froh sein, dass wir jetzt mal wieder drei, vier Neuner haben: mit Kai Havertz, Niclas Füllkrug, Deniz Undav und Maximilian Beier. Solche Alternativen sind in einem Turnier enorm wichtig. Im Umkehrschluss heißt das, dass wir jetzt in die Heim-EM gehen und sagen können: Jetzt wollen wir mal schauen, was wir im eigenen Land zaubern können. Auch mit der Unterstützung der Fans, die man nun wieder zurückgewonnen hat.

Geheimfavorit? Deutschland ist jetzt Mitfavorit

Geheimfavorit würde ich Deutschland niemals nennen. Das klingt so, als würde es aus dem Nichts kommen und das passt nicht zur Nationalelf. Nein, Deutschland ist bei der Heim-EM jetzt Mitfavorit.

Der große Favorit ist nach wie vor weiterhin Frankreich, auch wenn sie gegen uns nicht gut gespielt und jetzt zweimal in Folge verloren haben. Zu den Topfavoriten gehören auch England und Spanien. Bei den Engländern ist immer Frage, wie sie sich als Team präsentieren. In dieser Richtung sind wir in diesen beiden Spielen jetzt schon zusammengewachsen.

Dass die Gegner nach wie vor großen Respekt vor der deutschen Nationalelf haben, wurde schon durch die wertschätzenden Worte von Superstar Kylian Mbappé vor dem Frankreich-Spiel deutlich. Mit den beiden Siegen hat die Nationalmannschaft den nun noch mal vergrößert.

Wir werden den EM-Titel am Ende vielleicht nicht unbedingt gewinnen. Aber zumindest hat man als Außenstehender und Fan jetzt endlich mal wieder ein gutes Gefühl, dass wir uns auf die Heim-EM freuen können.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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