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WM 2022 | ARD-Kommentator Bernd Schmelzer: "Für den Wintersport wird es schwierig während der WM"


"Für den Wintersport wird es schwierig während der WM"

  • T-Online
Von Alexander Kohne

Aktualisiert am 02.11.2022Lesedauer: 6 Min.
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Eine der bekanntesten Stimmen der Republik: Bernd Schmelzer kommentiert seit über drei Jahrzehnten große Sportereignisse. (Quelle: IMAGO/Ulrich Wagner)

Bernd Schmelzer hat eine der bekanntesten Stimmen Deutschlands. Seit über drei Jahrzehnten kommentiert er die großen Fußballspiele. Sein Herz gehört allerdings einer Wintersportart – über die er nun ein Buch geschrieben hat.

Bernd Schmelzer ist eine der bekanntesten Stimmen Deutschlands. Er war als Kommentator für den Bayerischen Rundfunk (BR) bei 14 Olympischen Spielen und 30 Weltmeisterschaften dabei. Mehrfach auch im Fußball. Seine große Leidenschaft ist jedoch der Skisport. Darüber hat er nun ein Buch geschrieben.

t-online: Herr Schmelzer, worauf freuen Sie sich mehr: auf die neue Saison im Ski-Weltcup oder auf die Fußball-WM in Katar?

Bernd Schmelzer: Ganz klar auf den Ski-Weltcup, weil für mich über den Winter eigentlich nichts geht.

Aber Sie werden als Kommentator bei der Fußball-WM dabei sein, oder?

Ich werde nicht vor Ort sein, aber Spiele aus dem Sendezentrum in Mainz zusammenfassen und aktuelle Berichte erstellen. Doch wenn der Ski-Weltcup Mitte Dezember nach Europa zurückkehrt, kommentiere ich diesen. Dann ist die Fußball-WM für mich vorbei.

Was ist schwieriger zu kommentieren: ein Skirennen oder ein Fußballspiel?

Ein Skirennen, weil es von viel mehr Faktoren beeinflusst wird, die man nicht vorhersehen kann – vor allem durch Wetterumschwünge. Das macht es so schwer einzuschätzen, wie eine Leistung zu beurteilen ist.

Inwiefern?

Wenn es beim Fußballspiel eine Rote Karte gibt, weiß ich: Die Mannschaft ist in Unterzahl, sie wird es etwas schwerer haben. Wenn bei einem Skirennen die Temperatur innerhalb weniger Minuten um sechs oder sieben Grad Celsius steigt, beeinflusst das die Schneebeschaffenheit. Das Setup muss geändert werden. Alles, was man sich vorher überlegt hat, wird ad absurdum geführt.

Bernd Schmelzer bei seiner Arbeit im Stadion.
Bernd Schmelzer bei seiner Arbeit im Stadion.

Bernd Schmelzer

Der gebürtige Dortmunder zog im Kindesalter nach Bayern und entdeckte früh seine Leidenschaft für Wintersport. Seit drei Jahrzehnten kommentiert er für den BR große Sportereignisse – von Fußball-WM bis Olympia. Seine Leidenschaft ist der Wintersport, besonders der alpine Skizirkus, dem er nun ein Buch gewidmet hat. Mehr erfahren Sie auch in seinem Podcast.

Aus der Kommentatorenkabine ist schwer einzuschätzen, wie sich der Schnee in Sektor 2 oder 3 verändert hat – und ob jemand deshalb eine schlechtere Zwischenzeit fährt. Das alles in der rasanten Geschwindigkeit einzuschätzen, ist mit Fußball überhaupt nicht zu vergleichen. Skirennen sind viel schwieriger einzuschätzen als Fußball.

Vor Kurzem haben Sie das Buch "Ja, was macht er denn da?!" veröffentlicht. Sie bezeichnen es als "Ode an den alpinen Skizirkus". Was macht diesen für Sie besonders?

Der Sport findet in der freien Natur statt und die Umgebung bei den Rennen hat für mich oft etwas Magisches. Ich mag Schnee und den Winter wahnsinnig gerne, würde mich sogar als Winterfreak bezeichnen. Das begeistert mich einfach.

Aber noch mehr begeistern mich die Menschen, die sind sehr freundlich, offen und aufgeschlossen. Das mit der oft zitierten "Skifamilie" ist keine Plattitüde, das ist echt. All das macht diesen Sport so einmalig und faszinierend.

Mittlerweile begleiten Sie diesen Skizirkus seit 30 Jahren. Was war das Kurioseste, was Sie in dieser Zeit erlebt haben?

Rein sportlich gesehen die Olympia-Goldmedaille der Tschechin Ester Ledecká. Sie gewann 2018 bei den Spielen in Pyeongchang den alpinen Super-G – und zwar als gelernte Snowboarderin. Das ist in etwa so, als ob ein Bahnradfahrer als dritter Wasserträger eines Außenseiter-Teams die Tour de France gewinnt. Einfach verrückt!

Und was war für Sie persönlich das Kurioseste? Sie sollen einmal mit einem Bauarbeiterhelm eine Olympiapiste heruntergesaust sein.

Das stimmt (lacht). In Peking im vergangenen Februar. Normalerweise fahre ich die Pisten vor dem Start ab, um mir ein eigenes Bild zu machen. Dafür bin ich sehr früh morgens mit der Gondel hochgefahren zum Start – bei -25 Grad Celsius und eisigem Wind. Aber leider hatte ich meinen Helm in Deutschland gelassen. Ohne den wollten mich die Chinesen nicht fahren lassen. In meiner Verzweiflung bin ich Richtung Bergstation gerannt und habe dort zufällig einige Bauarbeiter getroffen.

Nachdem wir uns mit Händen und Füßen verständigt hatten, haben sie mir einen weißen Bauarbeiterhelm gegeben. Geld wollten sie dafür nicht, aber ich habe ihnen drei Olympia-Pins der ARD gegeben. Das sind kleine Anstecker, die gerne getauscht werden. Den Bauarbeiterhelm habe ich unter Mütze und tief heruntergezogener Anorakkapuze versteckt, die Skibrille drübergezogen und mein Glück erneut versucht. Das sah sicher maximal halbprofessionell aus (lacht), hat aber funktioniert.

Wer war der beeindruckendste Charakter, den Sie im Skizirkus kennengelernt haben?

Auf jeden Fall Hermann Maier. Ein echter Teufelskerl auf den Brettern. Daher auch sein Spitzname "Herminator". Bei den Spielen 1998 in Nagano ist er bei der Abfahrt schwer gestürzt. Maier flog mehrere Meter durch die Luft, überschlug sich und durchbrach die Fangnetze. Alle dachten: "Der steht nicht mehr auf." Und plötzlich wühlt er sich völlig unbeeindruckt aus dem Schnee, winkt – und gewinnt am nächsten Tag Gold im Super-G. Das hatte ein bisschen etwas James-Bond-Mäßiges.

Einmal habe ich Maier auch nachts nach Hause gefahren (lacht). Das war 1998, als er in der BR-Sendung "Blickpunkt Sport" zu Gast war. Eigentlich sollte er von einem Fahrdienst zurück zu seinem Trainingslager in Sölden gebracht werden – aber das Auto kam und kam nicht. Da bin ich kurzerhand eingesprungen und habe ihn – zusammen mit einem Kollegen – selbst die drei Stunden zurückkutschiert. An die Fahrt kann ich mich noch gut erinnern. Maier hatte einen Bärenhunger, deshalb haben wir an der Tankstelle das ganze Kühlregal leergeräumt.

Der Kassierer fragte, ob wir wirklich alle belegten Brote bräuchten? "Klar", sagte ich, "wir fahren jetzt Herrmann Maier nach Sölden und der möchte doch gut versorgt sein." Die Antwort des Kassierers: "Ja ja, und auf der Rückfahrt nehmen Sie den Ministerpräsidenten mit, oder?" Seinen perplexen Gesichtsausdruck, als er Maier beim Wegfahren von der Rückbank winken sah, werde ich nie vergessen (lacht).

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Video | Deutsche Ski-Legende erklärt Unterschiede der Alpin-Disziplinen
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Quelle: t-online

Was war für Sie das größte Highlight aus deutscher Sicht?

Da gibt es sicher nicht das eine, alles überstrahlende, Highlight. Besonders war für mich das "Wintermärchen" von Markus Wasmeier 1994 in Lillehammer, weil das meine ersten Olympischen Spiele waren.

Zwei Jahre zuvor in Albertville hatte "der Wasi" eine Medaille knapp verpasst und das erste Rennen in Lillehammer komplett verbockt (36. in der Abfahrt, Anm. d. Red.). Und dann holt er völlig überraschend Gold in Super-G und Riesenslalom!

Da bin ich in der Kommentatorenkabine richtig hopsgegangen (lacht)! Ähnlich wie bei Thomas Dreßens sensationellem Sieg auf der Streif 2018. Es gab aber noch viele weitere außergewöhnliche Momente – beispielsweise mit Katja Seizinger 1998 und Maria Höfl-Riesch 2010, als sie bei Olympia ebenfalls Doppelgold holten.

Ein Thema, das den Ski-Weltcup zunehmend beeinflusst, ist der Klimawandel. Es gibt immer mehr Rennverschiebungen und -absagen; viele Orte fürchten um ihre Zukunft im Weltcup. Wie erleben Sie das?

Der Klimawandel hat deutliche Auswirkungen auf den alpinen Skisport. Im Sommer ist in Europa das Training auf den Gletschern nicht mehr möglich. Außerdem wird fast nur noch auf Kunstschnee gefahren. Dadurch haben sich viele Faktoren verändert. Denn die Skier werden anders präpariert, es wird aggressiver gefahren und die Rennen sind insgesamt schneller geworden. Das hat Auswirkungen auf die Kurssetzung. Die Sportart ist viel komplexer geworden als vor 30 Jahren. Aber das hängt nicht ausschließlich mit dem Klimawandel zusammen.

Oft sind die Strecken Kunstschneelinien und in einer ansonsten beinahe schneelosen Landschaft. Nimmt das nicht viel von der ursprünglichen Romantik des Skisports?

Viele Leute empfinden es als unromantisch, wenn nur noch ein weißes Kunstschneeband durch die grüne Bergwelt läuft. Auf der anderen Seite wird in runtergekühlten Hallen Fußball in Katar gespielt. Das hat ebenfalls wenig mit Fußballästhetik und -romantik zu tun. Da alles auf den Skisport abzuwälzen, halte ich für schwierig. Von der Grundvorstellung, dass der Winter von November bis März weiß ist, muss man sich verabschieden.

Nochmal zur Fußball-WM: Diese findet parallel mit den Weltcupstarts der großen Wintersportarten statt und wird viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Rechnen Sie für den Wintersport mit fallenden TV-Quoten?

Das ist schwer zu sagen. Der Skiweltcup gastiert beispielsweise für einen Großteil der Fußballzeit in Nordamerika. Die Rennen sind bei uns in Deutschland entsprechend später am Abend. Natürlich ist da auch Fußball, aber diese Rennen würden in Deutschland eh nicht live im Fernsehen laufen. Sie wären auch ohne WM ausschließlich im Livestream gezeigt worden.

Insgesamt wird es für den Wintersport aber sicher schwierig während der WM. Die ersten 14 Tage der WM geht es noch einigermaßen, aber das ändert sich ab Anfang Dezember. Im Skispringen wurde deshalb reagiert und eine Pause Anfang Dezember eingebaut. Aber klar ist natürlich: Wenn ich ein Fußballspiel live im Fernsehen zeige, kann ich nicht gleichzeitig ein Abfahrts- oder Biathlonrennen zeigen.

Abschließend kurz zur neuen Saison: Welchen deutschen Starterinnen und Startern trauen Sie am meisten zu?

Bei den Herren auf jeden Fall Stefan Luitz, Alexander Schmid und Linus Strasser; bei den Damen Lena Dürr und Kira Weidle.

Gespannt bin ich auch auf Roni Remme, die vom kanadischen Team zum DSV (Deutschen Skiverband, Anm. d. Red.) gewechselt ist, und natürlich Thomas Dreßen – nach den ganzen Verletzungen. Wenn er wieder in Topform kommt und im Vollbesitz seiner Kräfte ist, kann er jedes Abfahrtsrennen der Welt gewinnen. Dreßen hat die Kraft, die Cleverness und das technische Vermögen dazu.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Bernd Schmelzer
  • Vorabdruck von Bernd Schmelzers Buch: "Ja, was macht er denn da?!"
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